Mit dem Atem erwachen – 4 Yoga-Techniken für Klarheit, Energie und innere Balance
- Flavie Steelandt
- 20. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Der Morgen ist mehr als der Beginn eines neuen Tages. Er ist eine Schwelle – zwischen Schlaf und Wachsein, zwischen Innen und Außen. Wer diese Schwelle bewusst überschreitet, kann den Tag nicht nur beginnen, sondern gestalten.
Atemübungen aus dem Yoga, auch Pranayama genannt, sind einfache, aber tief wirksame Werkzeuge, um Körper und Geist zu aktivieren, die Mitte zu finden und sogar emotionale Muster wie Müdigkeit oder Heißhunger zu regulieren. Hier stelle ich dir vier Übungen vor, die du direkt nach dem Aufwachen praktizieren kannst – ohne Matte, ohne Aufwand, aber mit großer Wirkung.
---
1. Nadi Shodhana (Wechselatmung)
Diese Übung bringt das Nervensystem ins Gleichgewicht und fördert geistige Klarheit. Sie eignet sich besonders gut, um den Tag ruhig und zentriert zu beginnen.
Wirkung:
- Harmonisiert die beiden Gehirnhälften
- Reduziert Stress und Nervosität
- Fördert Konzentration und innere Ruhe
Anleitung:
1. Setze dich aufrecht und bequem hin.
2. Verschließe mit dem rechten Daumen das rechte Nasenloch und atme durch das linke ein.
3. Dann verschließe das linke Nasenloch mit dem Ringfinger und atme rechts aus.
4. Rechts einatmen – Nasenloch wechseln – links ausatmen.
5. Wiederhole diesen Zyklus für 5–10 Minuten.
---
2. Bhastrikâ (Blasebalg-Atmung)
Diese kraftvolle Atemtechnik wirkt wie ein innerer Energieschub. Sie aktiviert den Kreislauf und vertreibt Müdigkeit.
Wirkung:
- Erhöht die Sauerstoffzufuhr
- Stimuliert das Nervensystem
- Fördert Wachheit und Vitalität
Anleitung:
1. Sitze aufrecht mit aktivem Bauch.
2. Atme kräftig durch die Nase ein und aus – etwa 1 Atemzug pro Sekunde.
3. Wichtig: Versuche, ausschließlich mit dem Bauch zu atmen. Der Brustkorb bleibt möglichst ruhig. Die Bewegung kommt aus dem Zwerchfell, nicht aus den Schultern.
4. Für Anfänger sind ca. 40 Atemzüge pro Minute völlig ausreichend. Du kannst mit 3 Runden à 20–40 Atemzügen beginnen, mit kurzen Pausen dazwischen.
Hinweis: Nicht geeignet bei hohem Blutdruck oder während der Schwangerschaft.
---
3. Sitali (Strohhalm-Atmung)
Diese kühlende Atemtechnik hilft, emotionale Hitze wie Heißhunger oder Gereiztheit zu regulieren. Sie ist besonders wohltuend an warmen Tagen oder bei innerer Unruhe.
Wirkung:
- Beruhigt das Nervensystem
- Lindert Heißhunger und emotionale Impulse
- Fördert Gelassenheit
Anleitung:
1. Rolle die Zunge zu einem Röhrchen oder forme die Lippen wie beim Strohhalm-Trinken.
2. Atme langsam durch die Öffnung ein.
3. Falls du deine Zunge nicht rollen kannst, gibt es eine einfache Alternative:
Öffne die Lippen leicht, während die Zähne sanft aufeinander liegen – und atme durch diesen schmalen Spalt ein.
4. Atme durch die Nase aus.
5. Wiederhole für 2–5 Minuten.
---
4. Bhramari Pranayama (Bee Breathing)
Diese Atemtechnik nutzt das Summen beim Ausatmen, um Spannungen zu lösen und die Sinne nach innen zu lenken. Sie wirkt beruhigend und zugleich kraftvoll – wie ein inneres Klangbad.
Wirkung:
- Aktiviert den Vagusnerv
- Löst Spannungen im Kopf- und Halsbereich
- Fördert Konzentration und emotionale Stabilität
Du kannst zwischen zwei Varianten wählen – je nachdem, ob du dich eher nach Stille oder nach energetischer Ausrichtung sehnst:
Variante 1: Klassisch und nach innen gerichtet
Diese Version ist besonders geeignet für Momente der Ruhe, Meditation oder zur Vorbereitung auf den Tag.
Anleitung:
1. Sitze ruhig und aufrecht.
2. Atme tief durch die Nase ein.
3. Beim Ausatmen summst du sanft wie eine Biene: „mmmmmm…“
4. Optional: Verschließe die Ohren mit den Daumen und lege die restlichen Finger sanft über Stirn und Augen (Shanmukhi Mudra).
5. Spüre die Vibration im Kopf- und Brustraum.
6. Wiederhole für 5–10 Runden.
Variante 2: Aktiv und kraftvoll
Diese Version eignet sich gut, wenn du dich energetisieren und zentrieren möchtest – z. B. vor einem wichtigen Termin oder bei innerer Unruhe.
Anleitung:
1. Sitze aufrecht mit stabiler Haltung.
2. Hebe die Arme seitlich an, sodass sie parallel zum Boden sind.
3. Verschließe die Ohren mit den Zeigefingern – die restlichen Finger bleiben locker.
4. Atme tief ein und summe beim Ausatmen kraftvoll.
5. Spüre die Resonanz im ganzen Körper.
6. Wiederhole für 5–10 Runden.
Hinweis: Beide Varianten können täglich praktiziert werden – morgens zur Zentrierung, abends zur Beruhigung oder zwischendurch als Reset. Wichtig ist, dass du dich wohlfühlst und die Übung mit Achtsamkeit ausführst.
---
🌸 Fazit: Atem als spirituelle Praxis
Diese Übungen sind mehr als Techniken – sie sind eine Einladung, den Tag bewusst zu beginnen. Der Atem verbindet Körper und Geist, Innen und Außen. Er ist immer da, aber oft unbeachtet. Wenn du ihn morgens für dich nutzt, kann er dir helfen, dich selbst zu spüren, zu klären und zu stärken.
Du brauchst keine perfekte Routine. Nur ein paar Minuten, ein ruhiger Ort und die Bereitschaft, dich selbst zu begegnen.
Kommentare